Jesus ist grau

Tue, 04 Apr 2023 09:21:20 +0000 von Jens Wening

Die Bohrhämmer rattern. Baustaub liegt in der Luft. Es ist sehr laut. In der Petri-Kirche werden die alten Kirchenbänke gegen Stühle ausgetauscht. Der Boden muss aufgemacht und erneuert werden. 
Ich bin froh, dass jemand daran gedacht hat, die Orgel einhausen zu lassen. Der Baustaub hätte sonst die feine Mechanik beschädigt. Einen Tag lang haben zwei Orgelbauer selbst die kleinsten Ritzen des Instruments sorgsam mit einer Spezialfolie ummantelt und abgedichtet. Sonst hätte es wohl eine große Staubwolke gegeben beim ersten Orgelspiel nach den Bauarbeiten.
Zufrieden will ich ins Büro gehen. Da fährt mir plötzlich der Schrecken in die Glieder: Jesus – den haben wir vergessen! Niemand hat daran gedacht, das Altarkreuz abzudecken. Dicker Baustaub hat sich auf den Schultern, in den Falten am Schurz und auf dem dornenbekrönten Kopf abgesetzt: Jesus ist staubgrau. Mit einer Folie wäre das nicht passiert! 
Und dann denke ich: So ist Gott – mittendrin. Setzt sich dem Leben aus. Da wo ich bin. Auch den unschönen Kehrseiten und dreckigen Stellen. Hat sein Ohr ganz unten. Bei mir. Hört meiner Angst zu, dem Zweifel, der Wut. Gott leidet mit. Von Mensch zu Mensch und ganz ohne Folie.
Wenn die Bauarbeiten beendet sind, werde ich mir Zeit nehmen, um Jesus vom Bauschmutz zu reinigen. So wie die Frauen, die am Ostermontag zum Grab kamen, um den Leichnam zu salben. Aber das ist schon eine andere Geschichte.
 
Jens Wening,
Pastor in Rethen 
Quelle: Petri-Rethen
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